Die Brachial Romantische Haus Apotheke
zurück ‹ ‹

WIE MAN GEDICHTE SCHREIBT II

Links der Rhein und rechts die Elbe
Es ist immerdar dasselbe
Warum nicht mal umgedreht?
Dass im Westen Ostwind weht
Dass der Sieger mal verliert
Und der Schadenfrohe wiehert
Die Gesetze der Genese
Stinken uns wie alter Käse

Deshalb wolln wir uns verwaigeln
Und im Dichterstübchen geigeln
Da ist der Larry von der Leine
Da macht man seiner Muse Beine
Klammer auf, breit, Klammer zu
Ansonsten pflegt man seine Ruh
Lümmelt straff im Leguan
Schaut sich die vier Wände an

Aus dem Dichterschädel keimt es
Mal mehr, mal weniger Gereimtes
Gelächter hebt die Dichterstimmung
Bringt den vollen Wanst in Krümmung
Indem die Welt wir ignorieren
Lässt sie sich trefflich reflektieren
Denn im tosenden Gewühle
Täuschen oftmals die Gefühle

Auf dass man Stimulatius sauge
Gibt es Schnaps und Kaffeelauge
Im Ofen duftet Apfelbrät
Grog wird gleichfalls nicht verschmäht
Genauso Punsch und trockner Wein
Auch ein Bierchen darf es sein
Und obendrein ein Gläschen Sekt
Wiewohl der Kräuter auch gut schmeckt

Vom Whisky wolln wir gar nicht reden
Obwohl – da mögen wir nicht jeden
Ein Guinness geht, solang es dreht
Und auch der Korn wird umgemäht
Der Weinbrand läuft von selber rein
Ein Likörchen hinterdrein
Und wär’s nicht was Idiotisches
Zu schmähen was Exotisches?

Reiswein, Raki, Ouzo, Anis
Es wird gesoffen, was grad da is
Brockenhexe, Kirsch of Eger
Siegmundiner, Rachenfeger
Vom Wodka mit dem Büffelgras
Gehn mühelos sto Gramm ins Glas
Retsina, Grappa, Kümmel, Sherry
Gin Tonic oder Bloody Mary

Der Karlsbader Becherbitter
Erzeugt ein prima Hirngewitter
Geistige Getränke geben
Dem Dichter eben neues Leben
Wen wundert’s, dass er Kaffee braucht
Wenn er aus dem Koma taucht
Damit sich’s Rädchen wieder dreht
Wird ein wenig ferngeweht

Denn kein Gedicht kann je gelingen
Will der Dichter es erzwingen
Hufe hoch, ist angesagt
Geflissentlich am Stift genagt
Und nicht gleich den Mut verlieren
Wenn der Kopf will nicht gebieren
Es heißt ja, wahrhaft große Lyrik
Dichtet sich mitunter schwierig

Manchmal geht’s auch leicht und locker
Dann haut’s den Dichter glatt vom Hocker
Er hat noch gar nicht losgegrübelt
Ist es auch schon hingekübelt
Für all dies gibt es keine Regel
Mal ist die Lyrik Oberpegel
Mal absolute Unterkante
Wiewohl auch dieses keine Schande

Es gehört halt auch dazu
Wie der Absatz untern Schuh
Wie der Bierfilz unters Glas
Wie der Bohrturm übers Gas
Wie der Heiland an sein Kreuz
Wie der Hanomag zum Deutz
Wie der Senator zum Senat
Und das Rührei zum Spinat

So ist das und so soll es bleiben
Darum wolln wir weiterschreiben
Bis die Miene ausgesaugt
Und das Paper aufgebraucht
Und die Pfeife aufgeschmaucht
Und der Schädel ausgelaugt
Der letzte Fluch hinausgefaucht
Und der Dichter ausgeschlaucht

All dies geht derart auf die Knochen
Dass es not tut, was zu kochen
Sie können eine Möhre braten
Oder einen Broiler braten
Oder zwei Broiler braten
Oder zwei Brätel braten
Oder ein Broiler und ein Brätel braten
Oder ihre tote Oma braten

Und warum nicht was mit Eiern
Leberknödelbrüh aus Bayern
Grüne Klöße, platte Flunder
Das ganze Kochbuch rauf und runter
Dann wieder einen Kaffee drauf
So räumt’s in Darm und Magen auf
Nach dem Kaffee etwas ruhn
Jedoch kann man auch was tun

Zum Beispiel ließe sich was dichten
Irgendwas von dicken Fichten
Oder spindeldünnen Nichten
Die auf irgendwas verzichten
Oder irgendwen vernichten
Während Vettern sie belichten
Wobei dies Beispiel Sie mitnichten
Soll zu irgendwas verpflichten

Unterm Strich bleibt festzuhalten:
Leichen haben zu erkalten
Gedichte sollen uns erwärmen
Kinder solln nicht so viel lärmen
Wirte sollen Bier ausschenken
Denker solln Gedanken denken
Politiker den Scheißstaat lenken
Alle solln uns freundlich grüßen
Fräulein Wunder darf uns küssen
Musen müssen mit uns schmusen
Und ob allem schwebt der Busen
Aus dem die Milch der schlichten Denkungsart
Tropft und tropft und tropft und – – –


Beckert/Wolff um 2005; unveröff.

zurück ‹ ‹