Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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DAS BLAUE LICHT
oder Das Märchen vom Augenauswischen

Der Märchenerzähler ölte seine Stimme, und in monotonem Klatschfall perlten seine Worte.

Es war einmal ein Soldat. Der kaum aus dem großen Kohlkrieg und hatte Blähungen, so dass der König ihn wegschickte und er auch die Prinzessin und das halbe Königreich nicht zur Frau bekam. Er begehrte auf und wurde eingesperrt. Empört über solche Behandlung entfuhr ihm eine gewaltsame Blähung, und siehe – plötzlich stand ein kleines graues Männchen mit einem blauen Rundumnippel auf dem Kopf vor ihm, fuchtelte mit einem großen Boxhandschuh um seine Nase und krächzte:
„Sie haben mich aus dem Schlaf gepfurzt, dafür kriegen Sie jetzt leider eins in die Fresse!“
„Aber ich habe heute schon reichlich in die Fresse gekriegt“, antwortete der Soldat.
„So? – Nun dann muss eben jemand anderes was in die Fresse kriegen.“
„Und wer soll das sein?“
„Mir wurscht!“ blaffte das kleine Männchen.
Der Soldat überlegte und witterte Morgenluft.
„Also gut. Dann verdrischst du jetzt den König, die Prinzessin, und, wenn’s dir nichts ausmacht, gleich noch die drei Minister. Damit es sich lohnt.“
Das kleine Männchen verschwand mit den großen Worten:
„Bitte sehr. Sie sprechen – wir dreschen!“
So kam der Soldat frei, kriegte den zähneknirschenden Köning zum Schwiegervater und ward weit und breit die respektierlichste Person im Lande. Denn immer wenn er Zwiebeln aß und aus vollen Backen pfurzte, erschien sein kleiner grauer Knechtgeist, ließ sein Rundumnippel kreisen und ruderte mit dem Boxhandschuh:
„Sie sprechen – wir dreschen!“

Und die blauen Augen im ganzen Land waren der Demut Unterpfand. Wo eine Schwellung nachließ, trug das kleine Männchen neu auf. So wäre dies hinfort ein Leben in trauter Harmonie geblieben, hätte sich der neue König nicht in eine fürwitzige dralle Bauernmaid verguckt – und zwar so gehörig, dass jedesmal, wenn er sie sah, ein Zacken aus seiner Krone fiel. Schließlich ließ er die frigide Königstochter auf seiner zackenlosen Krone sitzen und zog aufs Land. Die Bauernmaid aber war von empfindsamer Natur. Von den vielen Zwiebeln verschwammen ihr die Augen, und die Blähungen blähten ihr die Nase. Sie stichelte und schimpfte und verbat sich schließlich jedwedes Zwiebelnessen, so dass dem Soldaten alsbald kein Pfurz mehr aus der Hose fuhr und das kleine graue Männchen ausblieb.

Da sie ihren Soldaten jedoch liebte, malte die Maid jeden Morgen ihr blaues Auge sorgfältig nach. So hatte er zwar keine Macht über sie – sie ließ es ihn aber auch nicht merken.


Beckert/Wolff 1984

Ein Gewaltanbetungstext, der heute wieder Freunde finden könnte.
Brachialromantik in Reinform, ursprünglich fürs „Hanebuch von 1984“ geschrieben.

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