Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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DIE MACHT DER DICHTKUNST
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Eigentlich wollten wir ein Wanderlied schreiben
Über Stock und Stein
Mit Wasserfall und Plätscherbach
Und Heidelbeer und Schwammekorb
Haben losgedichtet sind steckengeblieben
Wieder losgedichtet, überm Arsch abgebrochen
Ein einziger Krampf

SINNLOS!
Geht ja niemand mehr zu Fuß im Zeitalter der Bahnkarte
Und wenn doch einer zu Fuß geht
Dann läuft er entweder Amok
Oder sucht leere Flaschen

Wir wieder die Köpfe zerbrochen
Und nochmal losgeschrieben:
Zum Beispiel: Ein Dichter hat schlecht geschlafen
Und falsch gefrühstückt
Er verlässt seine gute Kinderstube
Geht zu seinem Steuerberater
Und ist im Handumdrehen auf hundertachtzig:
Was? Vorsteuer-Mehrwert-Nachsteuer
Fünfundneunzig Prozent?
Das Ganze gleich abgezogen
Und auch noch Honorar draufgehauen?
Kann doch wohl ni wahr sinn!
Dabei hat’s der Steuerberater nur gut gemeint
Und mit dem Auge des Gesetzes draufgeguckt
Gerade Geringverdiener müssten steuern
Sonst könnten wir den Laden ja gleich zumachen

Du Parasit
Du Stinktier
Du Schreibtischtäter
Du gewissenlose Drecksau
Du asozialer Schweinepriester –
Nach zwei finalen Zungentiefschlägen
Stirbt der Steuerberater im Sitzen –
Tod durch Schimpfkanonade
Der Dichter tourt ab
Und ist gerührt ob seiner Wortgewalt
Solche Wirkung hatte seine Lyrik sonst nie!
Kann das sein?
Hab ich das schon wo gelesen?
War das nur Zufall?

Grübelnd geht er zu seinem Kleinwagen
Wo die Politesse grad am Wischergummi fummelt
Du uniformierte Stadtschlampe!
Du Pottsau!
Du gewissenlose Dreckschnepfe! –
Und nach zwei-drei weiteren Zungentiefschlägen
Sinkt die Politesse leblos in ihre Strafzettel
Der Dichter tourt ab:
Also doch kein Zufall!

Aufkeimende Begeisterung!
Das eröffnet ja ganz neue Möglichkeiten!
Wer hat mich denn letztens noch so geärgert?
Der Kritiker, dieser impotente Kleinschreiber
Und der Lektor von diesem Scheißverlag
Der mich schon dreimal abgelehnint hat
Und der Kulturdezernent
Der mein Dauerstipendium gekippt hat
Und jener blutleere Schauspieldramaturg
Der sich über mein Trauerspiel lustig gemacht hat –
Den mach ich zuerst fertig

Und nacheinander verabschiedete er
Die Kulturheinze vom Präsenz ins Präteritum
Das rechte Wort am rechten Ort
Kann also doch Probleme lösen

Aber zugleich wurde dem Dichter bang
Vor dieser ihm plötzlich verliehenen Wortgewalt
Zwar könnte er jetzt allen Bescheid sagen –
Doch zu welchem Preis!
Grübelnd ging er zum Regal
Und nahm seinen geliebten Immanuel Kant zur Hand:
„Du sollst so leben, dass dein Leben
Ein Vorbild für das Leben aller sein könnte“ –
Das hieße ja, wenn ich so weitermache
Rottet die Menschheit sich quasi selber aus ...

Just fand er in seinem Briefkasten
Den er normalerweise nur im Suff
Und einmal im Vierteljahr ausleerte
Eine Vorladung vom Ordnungsamt
Zwecks Klärung eines Sachverhalts
Das sah nicht gut aus!
Wär ich doch nur nicht zu dem Scheißbriefkasten gegangen
Ich Arschloch!
Ich Riesen-Rhinozeros!
Ich könnte mir die Hand abhacken
Und meinen Briefkastenschlüssel essen
Ich muss doch einen Riss in der Schüssel haben
Ich dumme Sau!
Ich bescheuerter Löffelkopp!
Ich bin doch so was von oberbelämmert –
Ich hasse mich!

Polizei-Beamte, die den Dichter
Der zur Vorladung nicht erschienen war, zuführen sollten
Fanden unseren Mann inmitten von Bergen
Ungeöffneter Post leblos in seinem Flur liegen –
Todesursache unerfindlich

Sein Vermächtnis, eine Schmährede allererster Güte
Soll seinem letzten Wunsch gemäß
Am 23. Dezember 2012 weltweit ausgestrahlt werden
Und könnte seiner Meinung nach zu dem von den Mayas
Vorausgesagten Untergang der Menschheit führen

Wir haben von Monty Python gelernt
Und zitieren hier vorsichtshalber nur den allerletzten Satz:
Ihr seltendämlichen Arschlöcher!
Haltet eure bescheuerten Schnauzen
Und macht euch endlich vom Acker!

Beckert/Wolff 2012; unveröff.

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