LIEBER MALER MALE MIR

Der Maler saß vorm Blatt Papier
Und fragte sich, was will’s von mir
Welch Motiv wär angenehm
Dass es drauf zu sehen käm
Farbig oder monochrom
Von dunkel unten bis hell obn
Oder aber umgedreht
Und mit Klarlack übersprayt
Was mit haptischer Struktur
Oder kinderarschglatt nur
Was will mein Kopf, das meine Hand
bildhaft auf die Fläche bannt?

Doch auf mein’ Kopf ist kein Verlass
Hat immer nur an Schweinkram Spaß
Ich muss am Kopf vorbei kreieren
Forsch hinein ins Blaue schmieren
Gucken dann, was meiner Hand
Ohne Ziel und Zweck entstand

Hat das was?
Ist das was?
Ist das neu?
Ist das inspiriert?
Oder wenigstens versiert
Hat das Schmackes?
Hat das Wucht?
Oder ist das Dreck
und kann weg?

Der Maler blinzelt auf sein Blatt
Und sieht, dass er noch gar nicht angefangen hat
Während er sich seinen Bart rauft
Nimmt die Krise langsam Fahrt auf:

Bin ich überhaupt Künstler?
Bin ich überhaupt berufen?
Oder hab ich mich verhört?
Soll ich lieber Post austragen
Oder Kakerlaken jagen?
Da sitzt er nun und ist verstört
Neuer Anlauf, neuer Strich
Nee, das war es auch noch nich’
Das muss noch mehr von innen kommen
Nur nicht übern Nüschel ommen
Immer ist der Kopf im Wege
Da hilft nur der Gang zur Theke ...

Nach zwei Stunden Druckbetankung
Nagelniegelneuer Anfung
Aus dem Drehmoment des Weins
Fließt neu die Leichtigkeit des Seins
Und führt ihm wie von Geisterhand
Den Pinsel auf die Leinewand
Und drübernaus aufs Laminat
Was, wie er feststellt, glatt was hat

Das hat was
Das ist was
Das ist neu
Das ist inspiriert
Ohne Abricht hinkreiert
Das hat Schmackes
Das hat Wucht –
Von wegen Dreck
und kann weg

Mit zwei Spritzern nachgebessert
– Obacht, dass es nicht verwässert –
Als Blickfang noch ein forscher Wischer
Jetzt ist er seiner Sache sicher

Das hat Schmackes
Das hat Wucht
Zweifelsohne große Kunst
Wie sie ihresgleichen sucht

Nur, dass sie nicht die Leinwand ziert
Sondern übern Boden schliert
Und daher – wie blamabel
Überhaupt nicht transportabel

Momentemaaa!
Würde ich das Teil verscheuern
Brächte dies abzüglich Steuern
Locker zwei-drei-vier-fünf Mille
Das ganze Haus nicht halb so ville
Er wiegt und wägt die Argumente
Was er tun und lassen könnte
Dann münden die Gedankenwege
Beherzt im Griff zur Kettensäge ...

Nach dem Chainsaw-Massaker
Gibt’s noch einen Absacker – –
Um nicht zu sagen, eine Dröhnung
Als Belöhnung

Als er erwachte aus dem Koma
Hing sein Parkett schon in der MoMa

Beckert/Wolff 19/02/2013; unveröff.