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KINDERLAND DDR

Vor dem DDR-Bürger steht eine hohe Hürde: Die Reifeprüfung für die Wiedereingliederung ins bürgerliche Weltreich. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass der Ex-Zombie in sich auch den letzten Zweifel an der verbrecherischen Struktur seiner ehemaligen Heimat ausräumt. Als Räumhilfe zitiert das Duo Sonnenschirm zerstreute Meldungen aus der Zeitschrift SUPER-SCHNULLI unter der Schlagzeile „Kinderland DDR – Ein Fragezeichen in Mannshöhe“.

Merke: Im Medienzeitalter hat sich die Floskel „Das haben wir nicht gewusst“ ein für allemal geschissen.

Auerbach/Vogtland. Alkohol in Babynahrung. Durch vorsätzlich übersäuerte und vergorene Kindernahrung wurden DDR-Kinderlebern auf ein Leben in Alkohol vorbereitet. Dies ermittelte jüngst die Hygiene-Inspektion Zwickau-Land. Kinderkneipen mit Niedrigtresen und Minibarhockern seien in vogtländischen Kinderkombinationen Vorschrift gewesen. Die meist im UTP-Unterricht hergestellten Möbel waren aber schlecht zusammengeschustert und entsprachen oft nicht den für Kinderalkoholismus geltenden TGL-Normen.

Borna/Sachsen. Als unfassbar gilt die Entdeckung eines im Smogschatten von Espenhain gelegenen Kinderferienparadieses, Kapazität zweitausendvierhundert Betten. „Während der Mittagspause“, so der langjährige Lagerleiter Fritz Schmenkel, „haben wir unverdünnte CO1-Abgase in die Schlafsäle umgeleitet, um die allergischen Kleinen an die Schadstoffe zu gewöhnen.“

Berlin/Wandlitz. DDR-Bonzen liebten es, nach Aussagen des ehemaligen IM und Politbüro-Chefkochs Kurt Brummer, bei ihren Orgien Kinder im Spanferkelalter am Spieß zu rösten. „Wenn allerdings ausländische Gäste da waren, hatte ich die gebrutzelten Kleinen mit Schweinsköpfen zu tarnen und mit Glutal geschmacklich abzufälschen. Es tut mir heute leid, dass dadurch die kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung mit Glutal nicht immer gewährleistet war.“

Magdeburg/Börde. Vorschulkinder als Galeerensklaven. Wie das Binnenschifffahrtsamt Unterelbe jetzt zugab, wurden Kinder als Rudersklaven auf Elbkuttern eingesetzt, vor allem elbaufwärts. Dieser Neuerervorschlag eines Genossen der Bezirksparteischule Havelland habe bis zu dreißig Prozent Spriteinsparung erbracht. Genosse Reichelt O-Ton: „Es tut mir heute leid.“

Berlin-Köpenick. Bereits in den 60er Jahren drangen Gerüchte über organisierten Kindermissbrauch an die Öffentlichkeit. Vereinzelt machten sich Prominente in den DDR-Medien zu Anwälten der entrechteten Kleinen – mit dem Erfolg, dass sie alsbald auf mysteriöse Weise von der Bildröhre verschwanden.
Erst jüngst bekannt wurde beispielsweise das Verbleiben von Ekkehard Friedrichsohn, im Kindermund Meister Nadelöhr genannt. Er wurde, wie Geheimakten beweisen, am Kindertag des Jahres 1973 durch Schnatterinchen verpfiffen und von General Mielke in der Pfeife geraucht.
Ein ähnliches Schicksal erlitt Kinderanwalt Prof. Dr. h.c. infantil Flimmrich. Am 23.11.1976 stießen ihn Stasischergen in ein hochgiftiges Entwicklerbad. Er soll aber nichtbestätigten Meldungen zufolge noch bis 1985 als Testbild über die Schirme geflimmert sein.
Ähnlich tragisch verlief das Leben des Mietböhmen Clown Ferdinand, welcher in der Nacht zum 2. Mai 1980 in seiner Stammkneipe eingeschlossen und so ins Delirium getrieben wurde.

Dresden/Sachsen. Drill in Zonenkindergärten. Tonkonserven von Kinderliedstars wie Schöne und Lakomy wurden zu vormilitärischen Exerzierübungen missbraucht. Ihre Platten kamen 1983 sogar auf den sogenannten Zwangskauf-Index und mussten auf Verlangen in jedem Haushalt vorzeigbar sein.
Dazu Ex-Staatssekretär Herold: „Ebenfalls auf der Zwangskaufliste standen unter Nr. 2 die Doppelliege Dagmar, unter Nr. 27 die Topflappengarnitur Petra und unter Nummer 29a der Rundstrickanzug Präsent 20 in den Farben Kackbraun, Kotzgrün und Blauer Würger.“

Brandenburg/Havel. „Jawoll, manchmal haben wir aus Kostenersparnisgründen gehbehinderte Kinder in Stasischießhallen als Lebendziele eingesetzt.“ Dies gab unter Rotlicht der IM, OibE und KK-Kreismeister von 1965, Willy Havelkorn, zu Protokoll. Es täte ihm heute leid, und er sähe ein, vieles unbedacht mitgemacht zu haben. Zum Beispiel habe er geholfen, in Jahren chronischen Wildmangels verwachsene Kinder mit Hasenfellmützen zu drapieren und in Staatsjagdgebieten auszusetzen. Die Überlebenschancen seien aber besser gewesen, als immer behauptet werde.

Berlin-Mitte. Beim Bau des Palastes der Republik sollen nach glaubwürdigen Aussagen einsitzender Seilschaften im großen Stil Kinder mit einbetoniert worden sein – a) um den chronischen Baustoffmangel auszugleichen und b) um den Geist des Ortes (Spiritus Loci) zu verbessern. Deshalb wurden auch nur Klassenbeste verwendet, im Volksmund „Ass-Bests“.

„Der Klassenbestengehalt im Palazzo liegt darum auch wesentlich höher als der des Fernsehturmes oder des Hotels Stadt Berlin“, so der verantwortliche Oberbauleiter Schinkelmann, und: „Es tut mir heute leid.“

Leipzig/Westsachsen. Wie eine Studie des Kinder- und Jugendforschungsinstitutes jetzt enthüllt, war die unbürokratische Abtreibungspraxis in der DDR nichts anderes als unverblümter Ausdruck des gesellschaftsimmanenten Kinderhasses. Margot Honecker soll bei einem internen Kaffeeplausch geäußert haben, dass man denke, mit dieser Politik langfristig die Wartezeiten auf einen Personenkraftwagen senken zu können.

Dazu die Bürgerrechtlerinnen Bohley und Poppe: „Da uns das entschieden zu lange dauerte, griffen wir 1989 zur Selbsthilfe.“


Beckert/Wolff 02/1992
veröff. in Zuversicht ist des Schiffers Uferlicht (1997)

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