Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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GUTE NACHT, HASE

1 Am Ende der Welt, wo der Bretterzaun steht
Und der roststaubrieselnde Stacheldraht weht
Wohinter der riesige Abgrund gähnt
Wo man sieht, dass die Erde eine Scheibe ist
(was die gängige Lehrmeinung um Haaresbreite verfehlt)
Wo der kraternarbige Mond
Von Wolke zu Wolke flaniert
Suchscheinwerfend die Gegend sondiert
Und den Wachturm streift
Mit bleichfahlem Gleiß
Da treffen Fuchs und Hase sich
Und sagen sich leis

Gut’ Nacht, gut’ Nacht, gut’ Nacht ...

Die sinkende Sonne hat das Firmament
Vom Okzi- bis zum Orient
In einen blutrot-purpurnen Mantel gehüllt
Und die Nacht hat ihr schwarzes Licht angemacht
(was denselben Effekt hat, als wenn man einen
Schornsteinfeger in der Dunkelkammer mit Kaviar füttert)
Das Skelett des Wächters, der vor Hunger erfror
Schlägt im Takt ans erkaltete Fernwärmerohr
Hab Acht, Hase, dass der Fuchs dich nicht skalpiert
So warnt der Fliegenpilz und phosphoresziert

Rot-weiß weiß-rot rot-weiß, weiß-rot rot-weiß weiß-rot

Am Ende der Welt, wo der Stacheldraht weht
Und am Abgrund der klapprige Bretterzaun steht
Rasiert sich der kraterpicklige Mond
Mit seinem russischen Rasierwagen Lunachod
(und schmiert den Schaum
an Armstrongs und Aldrins Sternstreifenbanner)
Und denkt sich, das geht doch nicht gut
Dass ein Hase so was unsäglich dämlich Belämmertes tut
In dieser Ödnis ohne Begleitschutz zu wagen
dem gerissenen Fuchs Gute Nacht zu sagen ...
Doch

Gut’ Nacht, gut’ Nacht, gut’ Nacht ...


Beckert/Wolff 2008
veröff. auf Duolektik (2010)

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