Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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FALLENSTELLER

Intro
Alter Junge, lonesome Fighter on the Road,
der du dir eben eine neue Leasingmöhre hast überbraten lassen – dieser Song ist für dich!
Und er wird dich noch verfolgen,
wenn du – schon blau – die allerletzte Raststätte angelaufen hast.
Und darum meine ich, dass es doch wohl nicht zuviel verlangt wäre,
mir endlich mal den Zucker rüberzureichen ...

1 Es war auf einem Holzweg zwischen Ludwigslust und Parchim
Ich dacht, wie kann man sich nur so ’ne Rute übern Arsch ziehn
Die Pappkarosse scheppert, Wertarbeit ist knapp
Und an der Lichtmaschine macht das Perlonstrumpfband schlapp

Scheiße, man muss nehmen, was man kriegt
Ohrenschützer hab ich leider nicht
Der Tacho zeigt zirka hundertzehn
Da seh ich hinterm Holderbusch versteckt
Ein Überholverbotsschild stehn

2 Die Blase drückt, hoi, denke ich, das Autofahrerbier
Erst wollt ich was von ihm, jetzt will es was von mir
Bis zum nächsten Rastplatz wird es wohl noch halten –
Da fährt vor mir ein Trecker her und ich muss runterschalten

Das Aubi drückt, ich sitze wie auf Kohln
Von vorn kommt nichts, ich blink zum Überholn
Die Knöchel weiß und steif das Bein
Da fällt mir grade noch
Das Überholverbotsschild ein

3 Na sauber, denk ich, grade Straße, nichts kommt mir entgegen
Ich zottle hinterm Traktor her, das kommt mir sehr gelegen!
Als ob wir gar nicht pissen müssen – fahr aufs Feld, du Bauer
Wenn der Mensch in Rage kommt, wird die Sprache rauher!

Hinter mir da staut sich was zusamm’n
Alles welche, die’s auch eilig habn
Mit zwanzig durch die Gegend stuckern – fein
Freie Sicht, na klar, da muss
Ein Überholverbotsschild sein

4 Ich steck mir eine Lunte an, vor lauter Frust am Filter
Das Grinsen von dem Treckerfahrer stimmt mich auch nicht milder
Hinter mir rolln wenigstens schon zwanzig, dreißig Wagen
Von vorne kommt noch immer nichts, jetzt platzt mir gleich der Kragen

Jetzt überhol ich dieses Sackgesicht
Macht das mit sonstwem, aber mit mir nicht
Und wenn da vorne tausend Bullen stehn
Dann habe ich das
Überholverbotsschild eben nicht gesehn

5 Es standen keine tausend da, sondern only einer
Was immer noch beschissner war, als gar keiner
Er winkte wie zum Maiumzug in seiner grünen Pracht
Und sprudelte durchs Fenster: Was habn wir denn falsch gemacht?

Es hat mich wieder mal erwischt
Ich wisch mir seine Spucke vom Gesicht
Versuche gleich, den Spieß herumzudrehn:
Ich habe euer
Überholverbotsschild leider nicht gesehn

6 Stellnse mal den Motor ab und kommse mit zur Kasse
Dann glotzt er meine Reifen – oi, wie ich das hasse
Ich füge mich der Staatsgewalt und suche die Papiere
Und merke, wie es feucht wird, wenn ich nicht gleich uriniere

Seine Tränensäcke schaun mich an:
Das wird heute teuer, junger Mann
Fünfzig Mark, da bin ich noch kulant
Oder wolln Sie einen Mängelschein
Für Ihren Tra-trabant?

7 Ich sage – nichts und bin grad beim Berappen
Da hör ich über Funk die Stimme seines Kumpels überschnappen (Giesbert!)
Giesbert, komm mal gucken, da naht ein dicker Fisch
Wenn der uns in die Falle geht, den zerrn wir übern Tisch

Giesbert stürzt hinaus zum Observiern
Vergisst gar, meinen Fuffi zu kassiern
Ich folge ihm, und was ich nun sehe
Das will ich gar nicht glauben
Das ist ja wohl die Höhe!

8 Da hoppelt auf der Gegenspur mein Treckertraktorist retour
Und hinter ihm schießt justament ein dicker Vollkorndeutscher vor
Er hatte auch die Schnauze voll vom Zuckeln hinterm Trecker
Der Oberwachtmann reibt die Hände: Das wird lecker-lecker!

Todesmutig stürzt er auf die Bahn
Ich denke mir, das geht dich gar nichts an
Wie man hier die bunte Knete pfändet
Und fahr schnell ab
Bevor der Trecker wieder wendet!

Outro
Am nächsten Parkplatz verricht’ ich endlich mein Geschäft
Und hör im Radio, zu welchem Zweck die Polizei die Autofahrer blufft:
Die Deutsche Volkspolizei sammelt Strafgelder zur Beschaffung von zwanzig Hektolitern Dienstbier,
damit die neu eingestellten Bullen leichter ihre Reviere abpinkeln können!

Guck an, denk ich, ihr grünlackierten Schnepfen
Ahnungslose Autofahrer schröpfen!
Grad hab ich mich wieder angeschnallt
Da seh ich hinterm Holderbusch versteckt ...

O.k. – o.k. – o.k. – o.k.
Danke für den Zucker, doch mein Kaffee ist jetzt kalt!

Beckert/Wolff 2. Fassung, Herbst 1991

veröff. auf Flucht nach vorn (1990) sowie
auf Live aus dem O-Zonenloch (1993)

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