Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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DIENST FÜR DEUTSCHLAND
(Mein Golfkrieg)

1 Es war Dienstag in Deutschland
Ich musste zum Stellplatz
Mutter schmierte Stullen und Stiefvater schrieb
Aus dem Atlas Oasen heraus
Sonnenschutzcreme mit Lichtfaktor zehn
Junge, sprach Vater, hier nimm den Kanister
Sieh zu, was du tun kannst, unser Mossi steht trocken
Es sieht gar nicht gut aus
Man rief unsre Namen
Ein Sergeant der UNO
Schnauzte mich an: Was soll’n der Kanister?
Wir fahrn doch nicht tanken
Das Vaterland ruft und allen voran
ESSO und SHELL und ARAL und MINOL
Und die großdeutschen Banken

2 Dann ging alles ganz schnell,
Wir standen im Jumbo gedrängt Mann an Mann
Und es ging himmelan
Mein Kanister enthielt einen Tropfen vom Besten
Aus Vaters Destille
Gestiftet zur Stärkung der Kampfkraft
Für Heimat und Mossi und gegen die Moslems
Den galt es zu testen
Schon über Rom war’n wir sternhagelvoll
Lagen in den Kurven wie die Ratten beim Surfen
Bombenstimmung, ich schrie:
ES LEBE DER MOSSI!
Sie boten mir Prügel, und ich musste erklärn
Dass ein Mossi kein Moslem ist, der Öl raffiniert
Sondern ein russisches Auto, das welches verliert
Denn ich war ja ein Ossi

Kehrreim
Fern von daheim
Dem Feind ausgeliefert
Sand in den Zähnen
Skorpion im Gepäck
Die Hitze im Nacken
Und wo man auch hinsah
Nur Fata Morgana
Und mein Kanister war weg

3 Da hinten lag Kuweit, noch war es zu weit
Der Sergeant rief „Sammeln!“ und wir rannten los
Durch den saudiarabischen Sand
Die Knarre im Anschlag, ein Lied auf den Lippen
Bei vierzig Grad Hitze
Ist mir im Arsch das Grundeis verdampft
Plötzlich ruft jemand „Gas!“
Ein deutsches Geschoss pfeift durch den Marschblock
Und erwischt mein’ Kanister
Ich denke, beim Saudi
Vergeht ein’m die Gaudi
Man fühlt sich kaum heimisch
Die Augen ganz schleimig
Es wird immer trister
Wir greifen zum Spaten
Um uns einzugraben
Ich stoß auf was Hartes, es knirscht wie Metall
Das Harte gibt nach und fängt an zu zischen
Zu blubbern und pfeifen
Und plötzlich schwebe ich
Meterhoch auf einem Erdölstrahl

3 Au, dacht ich, Idiot, was hast du verbrochen
Wahrscheinlich die Pipeline angestochen
Mir wurde ganz schmierig unterm Tornister
Von hier oben war Kuweit nun gar nicht mehr so weit
Man sah schon die Geiseln um die Erdöltanks kreiseln
Und neben dem Sergeant lag mein Kanister
Er brüllt freudig „Ööööl!“ und die Mannschaft „Hurra!“
Ich zappelte hilflos im Erdölstrahl
Er warf beherzt die Zigarre weg
Mir wurde erst heiß, dann dröhnte es furchtbar
Dann schwarz vor den Augen, dann weiß
Das war schon das Laken im Feldlazarett

Kehrreim
Fern von daheim ...

4 Auf Krücken nach Hause
Mein Alter begrüßt mich:
Wo is’n der Kanister?
Und sieht man so aus
Wenn man als Deutscher sein Erdöl verteidigt?
Er hatte ja recht, mir fehlte ein Bein
Vom Giftgas zerfressen die Nase ganz klein
Und trotzdem war ich ein bisschen beleidigt
Ich murmelte leise, ich hab keine Schuld
Ich wollte ja zu den Spatensoldaten
Er meinte: Da hättste erst recht buddeln müssen
Und das Öl angehackt, du nutzloser Sack
Ich humpelte ich auf mein Zimmer
Und weinte leise ins Kissen

Kehrreim
Wieder daheim
Dem Spott ausgeliefert
Krücke im Arm
Und vom Giftgas entstellt
So sieht man aus
Als Kämpfer für eine
Bessere und gerechtere Welt

P.S. Aber der Kummer war nur von kurzer Dauer.
Sein Missgeschick hatte soviel Verwirrung gestiftet,
Dass die Geiseln sich hatten befreien können
Und Platz machten für die siegreichen alliierten Bomben
Sein Erdölstrahl wurde zum Fanal
Für die Kreuzzüge des 21. Jahrhunderts
Er bekam das Bundesverdienstkreuz
Passend zur Blindenbinde
und wurde fünf Jahre später Deutscher Meister
Im einbeinigen Dreierhopp


Beckert/Wolff 1990; unveröff.

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