Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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DES SÄNGERS TRICKS
(The Singer not the Song)

Für Eugen Drewermann

Es war im späten Mittelalter
Um Neunzehnhundertzwanzig
Kurz vorher litten Karl und Rosa
Noch an des Lebens harter Prosa
Und Gdansk hieß preußisch Danzig

Im Kämmerchen saß weihefromm
Frederik Chansoniewski
Er träumte von Jerusalem
Und reimte ein Nahost-Poem
Auf Jesus Nazarewsky

Und als das Werk vollendet war
Griff er zur Wanderlauten-Knickattrappe
Öffnete das Kellergatter
Lugte nach dem Göttervater
Und sang’s in Richtung Polenkappe

Daraufhin erschien der Herr
Dem Sänger wahrhaft leiblich
Voll von Lob bis obenhin
Das Lied sei unbeschreiblich

Er schenkte ihm ein Dreipfundbrot
Und eine Flasche Weichselgeist
Die beide nie zur Neige gehn
Wie oft man auch dran nippt und beißt

„Nimm dies zum Dank für deinen Sang
Mit dem du an meiner Patina schabst
Du hast mir gezeigt, die gläubigen Polen
Sind zwischen den Polen die besten Katholen
Drum mache ich demnächst einen von euch zum Papst!”

Doch nun zu etwas ganz anderem

Zur gleichen Zeit fand in Gleiwitz die Grundsteinlegung für einen neuen Radiosender statt.
Eigens zur Premiere erschienen war der polnische Premierenminister und die Maurer sangen aus voller Kelle.
Stanislaw Lem veröffentlichte sein Jungfernbuch, in dem der Testpilot Pirx in die Antike reist und mit Sisyphos
die Rolling Stones gründet (Mick Jagger bekam das Buch 30 Jahre später von seinem Griechischlehrer
Alexis Sorbas-Corner geschenkt).
Vor der schwarzen Madonna von Tschenstochau fand eine Demo wider das kopernikanische Weltbild statt.

Zum Kirchenliederfest von Sopot
Röhrte Frederik Chansoniewski wie Pavarotti
Das Lied war offenkundig Nulpe
Das Bier verschalte in der Tulpe
Sein Mundgeruch war weithin ruchbar
Es knurrte Polizeihund Muchtar
Und keiner zückte einen Złoty

Die Jury – bestehend aus drei Kardinälen im Schlafrock und einem Rabbi im Trabi – war aufgebracht:
Blasphemie – iiih!!! –
Früher hatten wir dafür Scheiterhaufen!
Heute können Sie froh sein sein, wenn wir Ihnen nur den Pimmel abschneiden!
Den ersten Preis, eine vergoldete Oblate und ein Osterspaziergang zum Heiligen leeren Grab
mit anschließendem Tanztee an der Klagemauer, bekommt Schwester Teresa Orlovska für ihr Lied Oblati-Oblata,
ins Ostpreußische übertragen von Roman Polanski, frei nach dem Ohrwurm von Pawel MacCartnij.

Frederik war außer sich:
Rutscht mir doch den Buckel runter!
Wenn ich nicht legal gewinn
Gewinn ich eben durch ein Wunder!

Er begann das Volk zu speisen
Von seinem Wunderdreipfundkanten
Ließ sie in die Flasche schaun
Bis ihn alle Spitze fanden

Vom geistigen Getränk durchgeistigt
Vom Fladenbrot die Wanne prall
Gab es keine Gnade mehr
Alle grölten den Choral

Und so wird die größte Scheiße
Mit faulem Zauber hochgejubelt
Und wahrhaft wirklich große Kunst
Kriegt keine Sau mehr umgerubelt

Nachspiel: Always look on the bright side of life


Beckert/Wolff 01/92

veröff. auf Live aus dem O-Zonenloch (1993)

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