Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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CASTOR & FUCHSZILLA
(CD-Fassung)

1 In Rossendorf war Donnerstag und Riesenbullenaufgebot
Die Grünen standen draußen rum, denn sie hatten Hausverbot
Der Generalhochkanonier hält seinen Gummischniedel hoch
Männer, alles klar? Oder gibt es Fragen noch?
Der Castor strahlt wie Pollux blankgewienert in der Sonne
Die Brennstabladung wiegt verplombt eine Vierteltonne
Der Boss brüllt in sein Megaphon
Bahne frei für das Atom
Grünäugige Idioten
Respektlose Chaoten
Macht euch von der Straße
Sonst gibt‘s was auf die Nase
Doch wenn der Bürger eines hasst
Dann, wenn er einen Spaß verpasst

Der Fahrer des 32-Achsers legt den Schneckengang ein,
und Rad um Rad macht sich auf den langen und windigen Weg zur Endlagerstätte.
Zweitausend Polizeier füttern ihre Drahtesel und machen Licht ans Rad.

2 In der Dresdner Neustadt schon die erste Barrikade
Obendrauf die Anti-Atomino-Brigade
Eier fliegen durch die Luft und fauliges Tomatenmark
Ayurvedischer Salat und ranziger Tzatzikiquark
Haifischflossensuppendosen, angegangne Joghurtbecher
Gut platziert an Bullenhelme seitens aufgebrachter Rächer
Der Boss brüllt in sein Megaphon
Schilde hoch in Formation
Wasser marsch und vorgerückt
Alles an die Wand gedrückt
Auf die Bande mit Geheul
Und dann Kurs auf Radebeul

Vor der Villa Bärenfett am Karl-May-Museum wird unseren dreitausend tapferen Adventurepolizisten
ein zünftiges Westernfrühstück serviert:
Appetizer: Rattle-Schnecken auf Büffelgras in Präriewolfsmilch.
Main Course: Büffelbullenhaxe mit gratinierten Murmeltierbällchen.
Dessert: Kakteenhonig an Bärentatzen mit Tequila-Cream-Sauce.

3 In Meißen stept der grüne Bär und hat ein Bierzelt aufgestellt
Autoscooter, Achterbahn, alles für fast gar kein Geld
Kindergrippe, Tagesstätte, Wickelwagen, Chemoschlotte
Hartgesottne nagen an ihrer Vitaminkarotte
Hanfgeladne Wasserpfeifen ziehen Freaks in ihren Bann
Auf der Fahrbahn ketten sich die ersten Unverdrossnen an
Da bellt auch schon das Megaphon
Bahne frei für das Atom
Und zum Tankwart brüllt es barsch:
Düse auf und Wasser marsch
Castor hält in seinem Lauf
Weder Mann noch Männchen auf

Und Sat1 ist live dabei
RTL ist auch dabei
ARD und ZDF wollen mit auf Sendung sein
Sieh mal an, auch CNN
Die ganzen geilen Medien
Freuen sich schon auf den ersten Stein ...

Aber stattdessen werfen die Grünen – ihre bunten Sachen ab,
holen Seife und Shampoo aus ihren Kulturbeuteln
und duschen unterm Wasserwerfer.
Alle sind sich einig: Es könnte etwas wärmer sein.
Während der Schwertransport Achse für Achse übers Kinderkarrussell rollt,
werden die Angeketteten mit Trennschleifern entfernt.

4 Vor Torgau zieht sich ahnungsschwarz der blaue Himmelsvorhang zu
Zum Heavy-Mörtel-Rock-Event rüstet eine schwarze Crew
Eh noch ein engagierter Rocker on the stage erscheint
Sind ringsum Tür’n und Fenster dicht und die Wäsche abgeleint
Der Oberrocker gibt Befehl, der Akkuschrauber wird geholt
Und blitzschnell in ganz Torgau jedes Ortsschild umgepolt
Links nach Hamburg, rechts nach Camburg, gradeaus nach Knäckeburg
OP geglückt, Patient verwirrt und begeistert der Chirurg
Da kommt auch schon der schwere Tross der Radioaktivisten
Bremst und schaut verwundert auf die umbenannten Pisten
So’n Scheiß, wir haben uns verfranst
Weil du nicht Karten lesen kannst –
Wieso, du kannst nicht fahrn
Schon liegen sie sich in den Haarn
Der Generalhochkanonier
Pinkelt ratlos ins Revier
Denn wenn der Bürger eines hasst
Dann, wenn er einen Spaß verpasst

Orkanartig fallen die Protestrocker über die vorbildlich sanierte Altstadt von Torgau her.
Im Bärenzwinger rieselt der Sand von den Steinen, und die Elbe steht still.

Mörtel-Intermezzo:
Darkness in Town
Heaven is crying
Bullshit is fucking
Freedom is dying

Der Generalhochkanonier riecht sofort Lunte, dass es seinen Brennstäben ans Leder gehen soll,
weil ein Generalhochkanonier immer Lunte riecht, selbst wenn die Lunte überhaupt keinen Geruch hat.
Abteilung halt! Männer, Licht vom Rad! Ich verordne Plan E:
Evakuierung der Ladung in den erstbesten Fuchsbau! (schlau)
Dann tun alle, als wäre nichts gewesen.
Fünftausend Polizisten pfeifen unauffällig vor sich hin und verscheuchen die Tiere des Waldes.
Doch Mutter Natur wollte sich nicht so einfach zureiten lassen.

5 Der Himmel fing zu weinen an, aus den Wolken Tränen flossen
So dass die Pilze meterhoch aus dem verseuchten Boden schossen
Alle Bullen konnten sich unter Riesenschirme stelln
Und somit verhindern, dass ihre Mützenschilde quelln
Der General reibt sich die Hände, aus der Hornhaut schlagen Flammen
Pilze purzeln in die Pfanne, Wasser läuft im Mund zusammen
Für den Durst kriegt jeder als Polizistendienstgetränk
Eine Redbull-Dose, des schönen Namens eingedenk
Schutzmann sein in Lohn und Brot
Im Blechnapf dampft das Pilzragout
Frische Luft und Vogelsang
Der Geigerzähler tickt dazu
Das ist schön und außerdem
Zweifellos erstrebenswert
Und obendrein schon immer so
Wie uns die Geschichte lehrt
Da belfert durch das Megaphon
Des Chefkochs Feinschmeck-Variation:

Appetitshäppchen: Pfifferlingstoast an Reizkerbullette.
Hauptgang: Gemorchelte Knollenblätterteigtäschchen in Fetter Henne.
Kompott: Entpunktete Fliegenpilz-Scheibletten zum In-der-Pfeife-Rauchen.
Und hier wird aufgegessen!
Denn wenn der Bürger eines hasst
Dann, wenn er einen Spaß verpasst

Beim Einsammeln der Brennstäbe fällt einem aufmerksamen Polizisten auf, dass der Fuchsbau leer ist.
Dem General fallen die Ohren vom Stamm und verlieren an Farbe.
Nachdem er sich gefangen hat, verordnet er, so zu tun als sei nichts gewesen.
Und achttausend Polizisten pfeifen gemütlich vor sich hin.

Da nähert sich aus der Ferne bedrohliches Stampfen.
Ein turmhohes rotes Monster mit riesigem Fuchsschwanz kommt über die Horizontlinie geschwankert,
teilt den Regenbogen in zwei gleiche Halbkreise,
überquert die Elbe in einem einzigen gewaltigen Satz,
sägt mit dem Fuchsschwanz das vorbildlich sanierte Torgauer Schloss nieder
und nimmt Kurs aufs Bullen-Biwaklager.

Und die FAZ ist mit dabei
Und die taz ist mit dabei
Spiegel, Eule, Playboy und Dein Garten
Sieh mal an, auch ADN
Die ganzen geilen Medien
Könn’ die Katastrophe kaum erwarten ...

... und erleben live und in Farbe direkt vom Schauplatz des Geschehens
den Auftritt eines gigantischen Fuchszilla-Rüden,
der durch die radioaktiven Brennelemente zum Monster mutiert ist.
Als Fleisch gewordene Vernichtungsmaschine stapft er unaufhaltsam näher.

Ja, was machen wir denn da?
fragt der Generalhochkanonier weiß wie handgewaschen.
Ja, was machen wir denn da?
Und die Bullen klammern sich angstschlotternd an die Ohren ihrer Drahtesel.
Ja, was machen wir denn da?
Und Fuchszilla kommt näher und näher und immer näher.
Und in den Bäuchen der Bullen rumoren die radioaktiven Pilze.
Und die Grünen nesteln an ihren Gurkenschälern.
Und der General wimmert mit gebrochener Stimme durchs Megaphon: Männer, wir ergeben uns!
Und in der Starre der Lethargie missverstehen ihn alle und übergeben sich.

Und die Pilze brechen sich Bahn.
Und es ist ein Kotzen und Reihern,
ein Röcheln und Hecheln,
ein Zähneklappern und Wanstrammeln,
und ein fauliger Gestank erfüllt die Welt vom Arbeitsamt Torgau bis zum Arbeitsamt Riesa.
Und Fuchszilla hält mitten auf der B 182 im Schritt inne
und schnaubt
und schnappt nach Luft
und verdreht die Augen,
und das Blut läuft unter die Pupillen.

Der Generalhochkanonier und seine zehntausend Uniformierten halten alle Luft dieser Welt an
und rühren sich von keinem Fleck.
Und die Grünen halten den letzten Rest von Luft auch noch an und ducken sich hinter ihre Salatschüsselchen.

Wie jetzt?
Fuchszilla stand,
verwirrt von den vertauschten Wegweisern,
stumm in der Landschaft herum,
sah nach links,
sah nach rechts,
nach unten,
nach oben,
lief los,
rutschte auf einer leeren Red-Bull-Dose aus,
stürzte in den Drahteselständer
und fiel mit der Schnauze akkurat in einen Pilzkotzhaufen.
Und alle Augenzeugen schiffen sich vor Lachen in die Hose.

Das wäre jetzt die Mitmachstelle für Sie, unser geliebtes Publikum ...
Wir wussten natürlich, dass Ihnen das nicht gefallen wird.
Aber was kann das kleine Duo Sonnenschirm ausrichten gegen die unerbittlichen Naturgesetze der Poesie?
Das hätte Ihnen Tolstoi auch nicht anders hindichten können.

6 Humor muss man nehmen, wo man ihn zu fassen kriegt
Und am schönsten lacht es sich, wenn einer auf die Schnauze fliegt
Die Story ist nicht wichtig, wichtig ist die Botschaft nur
Und damit nichts anbrennt, hier die Botschaft nochmal pur:
Solche Poesie entsteht
Wenn der Poet den Affen laust
Und wann das Lied zu Ende ist
Erkennt man, wenn der Beifall braust


Beckert/Wolff 2004

veröff. auf Billiges Vergnügen (2005)

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