Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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HELMUT KOHLHAS
oder DIE NASNAHME

Oh mein Vaterland
Was klinken deine Mütter
für hirnrissige Bälger aus
Mit Verlaub gesagt
Man will sich ja nicht
In die Nesseln setzen
Weil das kommt eh noch!

Es war Männertag
Also Himmelfahrt
Helmut Kohlhas besaß
Eine gültige Fahrkarte
Zur Weinverkostung nach Radebeul
Wo bei Meißen lag

Winzer Jörg (mit Spitznamen Sancho Panscher)
Begrinste ihn ölig:
Was darf's denn sein?
Ein heuriger Wein?
Und schenkte ihm ein
Und war gar nicht nölig

Doch der Heurige war von gestern
Man hörte im Background die Stammgäste lästern
Ihr Sitzfleisch kochte auf der Bank
Jedoch zu spät – denn Kohlhas trank

Oh der Gestrige
Roch nach wässriger Traubenfäule
Im Volksmund Reblauskotze
Der rechte Trinkertöter
Und ein Nasenröter
Der die Muse pampelt
Und den Zinken ampelt
Der den Gast umkrempelt
Und zum Säufer stempelt
Weil die Gurke leuchtet
Und den Tisch befeuchtet
Und beim Naseschnäuzen
Sich die Blicke kreuzen
Dass selbst eine Brille von Schielmann
So nützlich wäre wie ein Pinguin im Teebeutel

Man hörte im Background die Stammgäste lästern:
Der Heurige war wohl von gestern!?
Und die ganze versoffene Blase
Begrinst Kohlhasens gerötete Nase

Helmut sah auf dem Klo die Bescherung
Seine Galle lief über in kohlerischer Gärung:
Winzer Jörg, komm raus du Sau
Auf dass ich dir in die Schnauze hau
Ich bin Helmut, der kohlerische Hase
Und dulde keine Kohloratur meiner Nase
Wer mich kohlportiert, muss früher aufstehn
Und darf schon gar nicht wie du aussehn!

Probleme zu lösen ist ein Talent
Das beileibe nicht jedermann kennt
Winzer Jörg in seinem Keller
Vernahm das kohlerische Gebeller
Kam kurzentschlossen
Mit dem Messer geschossen
Und schnitt unserm Mann
Den Rüssel vom Stamm

Er warf die Kohlnase auf den Müll
Kohlhas ohne Nase wurde ganz still
Selbst die Stammgäste auf ihren Sitzen
Begannen unter dem Sitzfleisch zu schwitzen

Man hörte draußen die Fliegen fliegen
In der Latrine die Fliesen liegen
Die Stille war stiller als in einem Brot
So still wie ein Mucksmäuschen vor seinem Tod

So leise wie Leisa Minellis Gepäck
So ruhig wie Rushdie in seinem Versteck
So stumm wie der Stummatologe beim Bohrn
So lautlos wie lustlos jobbende Hurn

So eine Stille hat noch niemand gehört
Es war eine Stille, die regelrecht stört
Wie ein Pickel im Modelgesicht
Der zu wenig Schminke abkriegt

Oder wie ein Asylant, der nackt
Vor die Kinderkrippe kackt
Es war eine Art von Lautlosigkeit
Die gewissermaßen zum Himmel schreit

Wie ein Yeti vor der UNO
Wie ein Panda unterm Fiat
Wie ein Hindu unterm Honda
Der sein Nagelbrett nicht mit hat

Die Stille war so ansteckend
Dass ringsum die Autos schwiegen
Die Radios verstummten
Und alle Vögel vom Himmel fielen

Just in diese Stille hinein starrte Helmut
Auf sein ehemaliges Organ
Welches im Abfall lag und fror

Winzer Jörg stieg in seinen Keller zurück mit den Worten:
Da haben wir mal wieder einen guten Schnitt gemacht!

Kohlhas begann mit nasaler Stimme zu singen:

Hier ist was los!
Was soll ich noch sagen
Diese misstrauensbildende Nasnahme prangere ich an
Und halte sie dem allgemeinen Sittenverfall zugute
Oh Welt, wenn dir einst
Die Polkappen geschmolzen werden
Wirst du dich meiner erinnern
Ich bin sooooo beleidigt
Das gibt’s gar nicht

Er wollte sich von seiner Kasse
Den Gesichtserker vergolden lassen
Aber die AOK bewilligte nur eine Pappnase
(ohne Gummi)

Und fürderhin bekam er Ausgang
Lediglich zu den großdeutschen Lustbarkeiten
Fastnacht
Aschermittwoch
und Fronleichnam

Merke! Kein Problem ist so groß
Als dass es nicht ein noch größeres
Nach sich ziehen könnte
Diese Aussage ist geradezu unanständig wahr!

BALLADE ÜBER DIE
UNANSTÄNDIGEN WAHRHEITEN

Die Wahrheit ist ein Wechselbalg
Und wird gern adoptiert
Gut gekleidet und geschminkt
Von stolzen Eltern ausgeführt

Sie wächst heran als Naseweis
Weiß immer alles besser
Und da das in der Regel nervt
Kommt sie unters Messer

Auf die Wahrheit kommt’s nicht an
Sondern auf den rechten Riecher
Wenn die Nase Amok läuft
Gibt’s Tempotaschentücher

Das war es, was zu sagen war
Mehr gibt’s nicht zu sagen
Wenn Sie’s nicht verstanden haben
Können Sie nachher fragen


Beckert/Wolff Freitag 13/11/1992; unveröff.

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