Die Brachial Romantische Haus Apotheke
zurück ‹ ‹

DER FÖRSTER VON GEITHAIN
Ballad Of A Green Man With A Futschekogel

Diese Dichtung ist den selbstlosen Kämpfern an der Kamillefront gewidmet.
Sie erzählt die Geschichte eines Mann von echtem Schrot und Korn,
Mit gezogenem Lauf und geradeaus schielendem Blick:

O Förster von Geithain
Du Flamme, du Licht
Dein Wort hatte Klang
Und dein Körper Gewicht
Das Ohr tönt uns nach noch
Von deinem Gebläse
Dein Jagdhorn stieß auf
Zu gewaltiger Größe
(Kiefer tot)

Von seinen Feinden verwunschen und gehasst,
Von seinen Anhängern verehrt und gepriesen,
Stand der Geithainer jeden Morgen mit den Rebhühnern auf.
Und er zerrte eine tote Pinus silvestris auf die B 52,
So dass im Morgengrauen der Joghurtexpress draufbohnerte.
Der Beifall kam aus allen grünen Ecken,
Und ein Hoffnungsschimmer erhellte die Welt von Rochlitz bis Schmölln.

Seine Feinde aber fomierten sich zu einer Front des Grimms
und dungen zwei arbeitslose Meuchler, ihn im Westewitzer Forst aufs Messer zu nehmen.
Der verlogene Nachruf lag schon in der Lade und sollte die Region von Zeitz bis Leisnig erschüttern:

Oh Förster von Geithain, unsere Sonn
Schutzpatron der Zivilisation
Du gabst uns Impulse, du lehrtest uns Mut
Mit deinem futschekogligen Hut
Hallia-hussassa tiri-Tombola
Und wohinein du stießest, das wurde gut!
(Eiche tot)

Aber die Wirte hatten ihre Zeche ohne den Preller gemacht.
Der Geithainer ging um, rigoroser als es ihnen lieb war.
Er spannte eine gigantische Tranparunkel von Borna bis Döbeln, worauf geschrieben stand:
LIEBET DEN WALD!
Mit Lettern, die so groß waren, dass man sie ohne Auge lesen konnte –
Dies war zuviel!
Mit lächerlich kleinen Scheren schnitten seine Gegner winzige Löcher in das Spruchband und drohten:

O Förster von Geithain
Du Waldschrat, du Heinz
Du Grünrock, du Holzbock
Wir sagen dir eins
Verpiss dich, du Affe
Wir sind deiner leid
Dass du von der Kanzel fällst
Wird höchste Zeit

Der Geithainer ließ sich dennoch nicht einschüchtern.
Auf einem Berg hoch über Weitzschen stand er mit erhobener Rapsölflasche.
Und die Wolken hingen so tief, dass er sich bequem zurücklehnen konnte.
Tausende kamen zu lauschen den Klängen seines Horns.
(Oh Tannebaum tot)

Und wie eine Lippe hingen sie an ihm und sangen einträchtig eine Lobhudehle
Die der Heimatdichter Kurt Schramm jüngst in eine Linde geschnitten hatte:

Wer hat dich, du schöner Mann
Hingestellt so hoch da droben
Unsern Meister wolln wir loben
Dass es bis nach Döbeln schallt

„Wahrlich, ich sage euch:
Geithain ist schön, Rochlitz ist schön,
Mutzschen ist auch schön, Schöner aber ist der Wald!
Doch nicht nur der Wald!
Auch die Heide und die Wiese und das Feld – Und der Wald,
Wo der Gummibär wohnt
Und der Fuchsschwanz sägt
Und wenn ich sage „Wald“ – dann meine ich Wald
Gesunden undurchdringlichen grünen Wald!
Und ihnen jenen, die meine Flur fleddern, sage ich
Sie können sich an den Steinpilzen die Zähne ausbeißen
Aber sie werden mich nicht kriegen
Denn ich bin wie das Eichhörnchen, das von Baum zu Baum springt
Wie der Maulwurf, der von Wurz zu Wurz wurzelt
Und sie können mich auch nicht sehen
Denn ich bin blind wie eine Blindschleiche
Ja, ich reihere mit den Reihern
Ich demmele mit den Dommeln
Und ich bibbere mit den Bibern
Aber – ich fliege auch mit den Graugänsen dahin dahin dahin ...“

Und so geschah es: Der Himmel verfinsterte sich, eine Gänseschar erschien,
Und ehe noch die gedungenen Meuchler ihre Haubitzen geladen hatten,
War der Held von Geithain vor Tausenden von Staunenden verschwunden.

Oh Förster von Geithain
Du Flamme, du Licht
Dein Wort hatte Klang
Und dein Körper Gewicht
Förster von Geithain
Du Kerl wie ein Baum
Dein Vorbild steht wetterfest
Zeitlos im Raum
(Vuglbeerbaam tot)

Aber – wenn dereinst die Autobahnen zerrottet
Und die Kaufhallen auf den grünen Wiesen übermoost
Und ganz Sachsen wieder von gesunden, undurchdringlichen Wäldern bedeckt sein wird,
Und der Reisende von Leipzig nach Dresden als auch jener von Dresden nach Leipzig
Fernab befestigter Trassen über Stock und Stein und Stumpf und Stiel springen muss –
Dann wird der Förster von Geithain uns ein geduldiger Lehrer sein

Er wird über uns erstrahlen wie der Komet von Halle
Und er wird uns, die wir alle vergessen haben werden, wie eine Morchel stinkt, zeigen, wo’s lang geht!
Wie man mit dem Wolf tanzt
Wie man mit dem Reh redet
Wie man eine Biene wachst
Wie man einen Bach überspringt
Wie man Buntspechte koloriert
Wie man vom Tellereisen isst
Wie man einen Biergarten anlegt
Wie man Pilze vergiftet
Und einen Frosch aufbläst

Zum Finale, liebe Freunde, spielt uns der Hauptdarsteller des Försters von Geithain zu unser aller Erbauung „Sautot“ – und zwar so lange, bis sich alle Dreckschweine im Saal gewaschen haben werden!
(Sautot)

Beckert/Wolff 09/1995; veröff. auf Live in der Berliner Kalkscheune (1997)

zurück ‹ ‹