Die Brachial Romantische Haus Apotheke
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DIE BALLADE VOM GLÜCK

Pech ist schwarz und klebt
Glück ist goldig und belebt
Den Glückspilz nämlich schlägt das Gute
Beständig mit der sanften Knute

Ein viergeteiltes Kleegeblatter
Flatterte im Schneefanggatter
Hans Schlot kam übern First gelaufen
Er war des Glückes Protegant
Es lag stets so, dass er es fand
Drum brauchte er es nicht zu kaufen
Doch als er grad das Kleeblatt brach
Gab das Gatter knirschend nach

Pech ist schwarz und klebt
Glück ist goldig und belebt
Die Pechvögel jedoch kacken
Dem Unglücksraben in den Nacken

Wir treffen unsern Glückspilz just
Als er grad vom Dachstuhl rußt
Das Glück ist darob nicht verlegen
Bevor er noch um Hilfe schreit
Hält eine Maid ihr Hemdchen breit
Und lässt ihn bäuchlings auf sich fliegen
Und was hier exemplarisch eintraf:
Den Seinen gibt's das Glück im Beischlaf

Glück ist äußerst angenehm
Pech dagegen unbequem
Dem Glückspilz schwoll vom frischen Mute
Anstandslos die Wünschelrute

Anderes Thema:
Freitag war’s, der dreizehnte
Dummdreist pissten feixende
Vögel Pech auf Optimisten
Im D-Zug fuhr, vom Glück tarantelt
Hans Schlot, ins Fegekleid gemantelt
Zum Ball der Schornsteinchampionisten
Nach Vetschau, wo aus großen Schloten
Dämpfe in die Landschaft koten

Dem Glückspilz schmeckt sein Pilzgericht
Dem Giftpilzsammler leider nicht
Es schwillt des Satten Doppelkinn
Das Glück weiß gar nicht recht wohin

Hans Schlot sah überall im Waggon schiefe Scheitel
Und er öffnete sein übervolles Glückssäckchen
Um hie und da eine Prise Lebenslust zu säen
Er griff einem Unschuldigen an die Schulter
Einem Unbescholtenen an den Schalter
Er erheiterte ein Neugeborenes bis zum Schreikrampf
Verleitete einen Neidhammel zum Leithammel
Belegte einen Stehenden und bekniete einen Beinlosen
Kurzum – das gesamte Abteil erstrotzte
In harmonischem Quickleben

Denn glücklich ist, wer vergisst
Was alles noch zu ändern ist

IHREN FAHRAUSWEIS BITTE!
Ein nach Uniformalin riechender Kollege
Betrat mit steifen Knien das glückliche Gehege
Er schwang seine Zange:
Ich warte nicht mehr lange!
Wo ist der obligate
Schwarzfahrkandidate?
Der Schornsteinfeger wurde blass
Die Haare fieln vom Besen –
Hat er doch bass vor Lebensspaß
Vergessen, ein Billett zu lösen!

Stille kroch durchs Abteilfenster
Augen wurden schmal und hart
Sieh mal an, ein Reichsbahngangster
Der das Volk mit Blendwerk narrt!
Antipathische Missbill
Schlug ihm von allen Kehrseiten
Ins rußtikahle Antlitz
Und fuhr wie ein Blitzableiter
Durch den Zylinder mitten hinein
In sein eben noch strahlendes Gefries

Er wurde gewalkt und gewendet
Gestülpt und gestäupt
Geknebelt, gestümmelt
Geknickt und geknackt
Gebeutelt und schließlich – enthäutelt

Und alle Mann im Zugabteil
Vertrieben sich die Langeweil:
So ein Schlag, so wunderschön wie heute –
Gemeinsam lässt es sich wohl laben
An einem smarten Prügelknaben!
Sangen quietschvergnügt die Leute
Und je mehr man zog vom Leder
Stieg das Stimmungsbarometer

Pech für den, der unten liegt
Glücklich der, der strahlend siegt
Die Freude ist erst dann am besten
Kann sie sich am Schaden mästen

Womit habe ich verdient, was andere ausgeben
Fragte sich Hans im Pech
Er sprang aus dem fahrenden Zug
Wähnte nochmal Schwein gehabt zu haben
Wurde aber von weidenden schwarzen Schafen zertreten

Pech bleibt zäh an einem kleben
Glück ist keinem treu ergeben
Der Himmel schien die Quer und Länge
Auf ein bleiches Kehrgestänge

Beckert/Wolff 04/1986; unveröff.

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